Glocken

Nach der Umbennung der „Gablenzer Kirche“ in die „St.-Andreas-Kirche“ am 1. April 1990, begannen die Bauarbeiten an Turm und Kirchenschiff. Ebenso wurden bereits die Glocken angeliefert. Gegossen von der Glockengießerei Gebr. Jauck in Leipzig, trafen sie mit der Eisenbahn am 28. August 1900 in Chemnitz ein.

*– Gablenz, 28. August.   „Der Festtag, der am Montag hier gefeiert wurde, war vom schönsten Wetter begünstigt. Die vom Glockengießer Jauck in Leipzig im D-Dur-Akkord gegossenen drei Glocken wurden am Bahnhof vom Kirchenvorstand in Empfang genommen und reich bekränzt. Nachmittags ¾ 1 Uhr setzte sich der Zug in Bewegung, voran ein Gemeindeältester zu Pferde, dann die blumengeschmückten Glocken auf einem von 6 stattlichen Schimmeln gezogenen Wagen, welchem die Mitglieder des Kirchenvorstandes zu Wagen folgten. Die Glocken von St. Petri, St. Jakobi und St. Johannis begrüßten mit vollem Geläute die neuangekommenen Schwestern. Von dicht gedrängten Schaaren von Schaulustigen umgeben, nahmen die Glocken durch die Schiller- und Königstraße, den Johannisplatz, die Johannis-, Augustusburger- und Oststraße ihren Weg nach Gablenz. An der Ortsgrenze hatten sich zur Begrüßung derselben die Gemeindebehörden, das Lehrerkollegium, die oberen Schulklassen, verschiedene Vereine, sowie eine große Zahl von Gemeindegliedern eingefunden. Nachdem 3 Mädchen in gebundener Rede herzliche Segenswünsche hinsichtlich der Bestimmung der neuen Glocken gesprochen, setzte sich der Zug unter Musikbegleitung von Neuem in Bewegung und langte bald nach 2 Uhr auf dem Kirchplatze an, woselbst die Glocken unmittelbar vor dem styl-vollen, entsprechend dekorierten Hauptportal der Kirche, von dem aus auch die Weihe vollzogen wurde, Aufstellung fand. Nach dem Gesang des ersten Verses von dem Liede „Allein Gott in der Höh‘ sei Ehr“ hielt Herr Pastor Seidel vor den vielen Hunderten, welche Kopf an Kopf dichtge-drängt den Kichplatz und dessen nächste Umgebung füllten, die Weiherede, welcher er die Inschriften der drei Glocken: „Ehre sei Gott in der Höhe“, „Meine Schafe hören meine Stimme“, „Der Geist ist’s, der lebendig macht“ zu Grunde legte. Den eigentlichen Weiheakt vollzog der, der Gemeinde seit Jahren nahestehende Pfarrer der St. Johannisgemeinde, Herr P. Trautzsch unter innigem Gebet. Es begann nun das Aufziehen der Glocken, welches schnell und glücklich von statten ging. Abends ¼ 7 Uhr erschallte zum ersten Male das nach dem Urtheil der Sachverständigen in jeder Beziehung trefflich gelungene Geläute, von Vielen erwartet, mit vollem, echtem, weittragendem Ton, der alle Hörer mächtig ergriff.“

Bei dem neuen Geläut handelt es sich um ein Bronzegeläut, gegossen aus Zinnbronze nach dem Jahrhunderte alten traditionellen Lehmform-bzw. Mantelabhebeverfahren. Zinnbronze ist eine Legierung aus ca. 20 % Zinn und ca. 80 % Kupfer, das 2 % Fremdmetalle enthalten kann. Die Glocken trägt ein Glockenstuhl aus Eichenholz, geläutet wird mit Seilzug per Hand vom Läuteboden aus unter der Glockenstube (die Öffnungen für die Seile sind heute noch im Fußboden der Glockenstube vorhanden). Das Geläut ertönte zum 2. Mal zur Kirchweih, am 1.12.1889, 1. Advent.

Das neue, erste Geläut der heutigen St.-Andreas-Kirche setzt sich wie folgt zusammen:

Große Glocke (1)       d‘      

Unt. Dm   1.450 mm         

Gewicht   1.650kg

 Inschrift:   „Ehre sei Gott in der Höhe.“ (Lk. 2, 14)

Sinnbild:    Das Auge Gottes.

Mittlere Glocke (2)    fis‘     

Unt. Dm   1.130 mm         

Gewicht     790 kg

Inschrift:   „Meine Schafe hören meine Stimme.“ (Joh. 10, 27)

Sinnbild:   Der gute Hirte. (Ein Schaf auf der Schulter, eins an der Hand)

Kleine Glocke (3)        a‘      

Unt. Dm      946 mm         

Gewicht      465 kg  

Inschrift:    „Der Geist ist es, der lebendig macht.“ (Joh. 6, 63)

Sinnbild:    Taube.

Chronik der Glocken

25 Jahre konnten die Glocken in Frieden läuten, dann brachte der 1. Weltkrieg auch für sie großes Unheil.

Nach der ersten „Inanspruchnahme“ der Bronzeglocken per Erlaß 1915 wurde die „Verordnung des Ministeriums für Landesverteidigung im Einvernehmen mit den beteiligten Ministerien und im Ein-verständnisse mit dem Kriegsministerium vom 22. Mai 1917, betreffend die Inanspruchnahme von Glocken für Kriegszwecke“ erlassen. Darin war festgelegt: „Alle aus Kupfer oder Kupferlegierun-gen (Bronze, Messing, Rotguß usw.) bestehenden Glocken, deren größter äußerer Durchmesser     25 cm oder darüber beträgt, werden für Kriegszwecke in Anspruch genommen.“

Das bedeutete, daß die große und die mittlere Glocke abgegeben werden mußten. Sie wurden am   9. Juli 1917 abgenommen, nachdem der Kirchenvorstand sich ¼ Jahr lang standhaft geweigert hatte. Das volle Geläut ertönte am Tage zuvor letztmalig in der Mittagsstunde.

Die Glocken sind eingeschmolzen worden und nicht wieder zurückgekehrt.

In diesem 1. Weltkrieg sind allein in Sachsen 1.810 Bronzeglocken vernichtet worden, diese Verluste entsprachen 48,8 % des Bestandes zu Kriegsbeginn.

Um das Geläut bald wieder zu vervollständigen, wurden bereits 1919 erste Gespräche mit der

Glockengießerei Franz Schilling & Söhne in Apolda aufgenommen (Die Glockengießerei Jauck in

Leipzig existierte nicht mehr!). Schon im Oktober 1919 konnte der Vertrag abgeschlossen und 1920

geliefert werden. Es war vereinbart, die verbliebene kleine Glocke einzuschmelzen, um ein neues

klanghomogenes Geläut zu erhalten. Auch sollte der hölzerne Glockenstuhl einem neuen aus Stahl-

Trägern weichen. Geläutet wurde noch per Hand.

Das neue 2. D-Dur-Geläut setzt sich nun wie folgt zusammen:

Große Glocke (1)        d‘        Unt.Dm   1.380 mm          Gewicht   1.520 kg

                                                 Inschrift und Sinnbild wie 1889, zusätzlich 2. Inschrift:

                                                 „Das Vaterland rief und wir stiegen hernieder.“

Mittlere Glocke (2)     fis‘      Unt. Dm   1.080 mm          Gewicht     780 kg

                                                 Inschrift und Sinnbild wie 1889, zusätzlich 2. Inschrift:

                                                 „Es schuf des Meisters Hand uns wieder“

Kleine Glocke (3)        a‘        Unt. Dm      900 mm          Gewicht     400 kg

                                                 Inschrift und Sinnbild wie 1889, zusätzlich 2. Inschrift:

                                                 „Nun singen dem Herrn wir neue Lieder.“

Die Weihe der Glocken für die St.-Andreas-Kirche fand am Montag, 31. Mai 1920, abends

½ 8 Uhr, vor dem Haupteingang der Kirche, unter Chorgesang und Posaunenklang, durch Pfarrer     

G. Siegert statt.

Am nächsten Morgen, Dienstag 1. Juni 1920, wurden die Glocken hochgezogen und montiert.

Abends, von 7 bis 8 Uhr, ertönten ihre Stimmen über Gablenz.

1929 mußte die große Glocke repariert werden (Glockenschweißerei Lachenmeyer / Nördlingen); bei der Gelegenheit wurde vom Handläuten auf elektrisch betriebenes Läuten umgestellt.

Kaum hatten die Kirchgemeinden unter großen Mühen und Opfern die schlimmen Glockenverluste des 1. Weltkrieges wieder ersetzt, so brach mit der Glockenbeschlagnahme von 1940 kurz nach Beginn des 2. Weltkrieges neues Unheil über die Kirchenglocken herein.

Die Anordnung vom 15. März 1940 beinhaltete, die „in Glocken aus Bronze und Gebäudeteilen aus Kupfer enthaltenen Metallmengen zu erfassen und unverzüglich der deutschen Rüstungsreserve dienstbar zu machen. Die Glocken aus Bronze sind anzumelden und abzuliefern.“

Die kirchliche Umsetzung der neuerlichen Glockenbeschlagnahme ließ nicht lange auf sich warten.

Am 25. – 26. Februar 1942 wurden die große und die mittlere Glocke abgenommen, die kleine verblieb als Läuteglocke.

Die beiden abgegebenen Glocken kehrten nicht zurück.

Als der 2. Weltkrieg beendet war, mußte allmählich das öffentliche Leben in Gang kommen und die allernötigsten Kriegschäden beseitigt werden. Die Not war groß, Lebensmittel und Material knapp.

An eine Beschaffung von Glocken war überhaupt nicht zu denken. Und 1948 gab es eine Währungs-Reform 10:1 !!!

1918 gründeten der Glockengießermeister Otto Schilling und der Hammerwerksbesitzer Gottfried Lattermann in Morgenröthe-Rautenkranz/Vogtl. eine Offene Handelsgesellschaft zum Zwecke des Gusses und des Vertriebs von Eisenhartgußglocken für Kirchen … unter der Firmenbezeichnung

„Schilling & Lattermann“ mit Sitz in Apolda.

Von den sächsischen Kirchgemeinden wurden diese Glocken in erheblichem Umfang nach dem     1. Weltkrieg und erst recht nach dem 2. Weltkrieg – infolge rigider Materialbewirtschaftung von Buntmetallen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR – beschafft. Hersteller der Glocken aus Eisen-

hartguß geben im Gegensatz zu Gießern von Bronzeglocken keine Hinweise zu Zusammensetzung

und Materialeigenschaften des Werkstoffes. Eisenhartguß ist zwar hart, aber auch porös, kohlen-stoffhaltig (ca. 3,5 %) und sehr korossionsanfällig. Die Lebensdauer solcher Glocken wird mit durchschnittlich 80 Jahren angegeben (je nach Qualität und Pflege +/- 20 Jahre).

Aber die beschaffungsmäßige und preiswerte Alternative zu Bronze war damals nur Eisenhartguß!

Anfang 1955 knüpfte der Kirchenvorstand Kontakte zur Glockengießerei Schilling &Lattermann mit dem Ergebnis eines Angebotes über ein neues Eisenhartguß-Geläut. Der Auftrag wurde im Juli erteilt.

Dieses 3. Geläut – nun aus Eisenhartguß – der St.-Andreas-Kirche gestaltet sich wie folgt:       Große Glocke (1)          f‘        Unt. Dm   1.472 mm          Gewicht   1.300 kg

                                                  Inschrift:   „Ich bin die Auferstehung und das Leben.“

Mittlere Glocke (2)       as‘      Unt. DM  1.220 mm          Gewicht      760 kg

                                                  Inschrift:   „Ich bin das Brot des Lebens.“

Kleine Glocke (3)          b‘       Unt. Dm   1.080 mm          Gewicht      530 kg

                                                  Inschrift:   „Ich bin das A und das O.“

Der stählerne Glockenstuhl wird repariert und dem neuen Geläut angepaßt. Die Glocken erhalten einen neuen elektrischen Läute-Antrieb.

Die verbliebene Bronzeglocke vom Vorgängergeläut wird im Frühjahr 1956 nach Augustusburg / Stadtkirche verkauft. Der Erlös dient der Mitfinanzierung des neuen Geläutes.

Am 5. Juli 1956 treffen die neuen Glocken ein und werden vom Glockengeläut von St. Petri, St. Jakobi, St. Johannis, St. Markus und Luther freudig-feierlich begrüßt.

Die Glockenweihe fand am Sonntag, 22. Juli 1956, in einem Fest-Gottesdienst statt.

Unter regelmäßigen Pflege-, Wartungs- und Reparaturarbeiten tun diese Glocken noch heute ihren Dienst zur Ehre Gottes und zur Erbauung und Freude der Gemeinde.